Wenn ein Pflichtteilsanspruch dadurch reduziert wurde, weil ein Erblasser bereits zu Lebzeiten Vermögen an Angehörige verschenkt hat, so können bei den Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen. Dabei ist die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs immer abhängig vom Wert der Schenkung. Jedoch werden nur Schenkungen angerechnet, die in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall getätigt wurden.
Hierbei werden jedoch Geschenke zu besonderen Anlässen, wie z. B. Geburtstag, Hochzeit etc. nicht berücksichtigt. Grundsätzlich werden die Schenkungen innerhalb der 10 -Jahresfrist nach einem Abschmelzungsmodell berücksichtigt, wobei sich der anzurechnende Betrag immer weiter verringert, je länger die Schenkung her ist. Durch einen Nießbrauch wird jemand ein Nutzungsrecht für eine fremde Sache, ein Recht oder ein Vermögen eingeräumt. Dabei wird der Begünstigte des Nießbrauchs zwar kein Eigentümer, er kann jedoch das fremde Gut nutzen und auch die wirtschaftlichen Vorteile daraus ziehen. Hingegen bleibt das Verfügungsrecht ( z. B. der Verkauf ) beim Eigentümer.
Geht es ums Erben, so setzen Erblasser oftmals den Nießbrauch ein, um bei einer Schenkung des Pflichtteilsergänzungsanspruch von anderen Erben reduzieren zu können und sich dabei weiterhin das lebenslange Recht auf Nutzung der verschenkten Sache zu sichern. Besonders häufig findet dies Anwendung bei der Schenkung von Immobilien.
Generell lösen alle Schenkungen nach § 2325 BGB, die nicht vollständig aus dem Verfügungsbereich des Schenkenden herausfallen, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. Dabei meint dies auch, dass Schenkungen, bei denen sich der Schenkende einen Nießbrauch gesichert hat, grundsätzlich Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen.
Wie bereits dargestellt, werden nur Schenkungen, die innerhalb der 10 Jahresfrist vor dem Erbfall vollzogen wurden, auf Pflichtteile angerechnet und können deshalb auch Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Für den Fall, dass ein Nießbrauch vereinbart wurde, setzt diese 10-Jahres Frist jedoch erst ein, wenn die Nießbrauchrechte abgelaufen sind oder der Nießbraucher diese nicht mehr nutzt. Hierbei ist dies z. B. der Fall, wenn ein Nießbrauchvertrag abgelaufen ist oder der Schenkende verstirbt.
Für den Fall also, dass ein Erblasser zu Lebzeiten eine Immobilie mit Nießbrauchsvorbehalt verschenkt, können Pflichtteilsberechtigte auch z. B. nach 20 oder 25 Jahren noch Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Hierbei findet also keine Abschmelzung statt bei der Berechnung der Ansprüche und die 10 Jahresfrist der Abschmelzung beginnt also erst, wenn der Erblasser und Nießbraucher verstorben ist. Begründet wird dies von der Rechtsprechung dadurch, dass eine tatsächliche Wertüberschreibung erst nach dem Ableben des Schenkenden stattfindet, da dieser zu Lebzeiten noch von dem Vermögenswert profitiert.
Oftmals werden also gerade Immobilien von Erblassern bereits zu Lebzeiten verschenkt, um Pflichtteilsansprüche weiterer Erben zu verringern. Durch eine Vereinbarung von Nießbrauchrechten an der Immobilie setzen sie jedoch die 10- Jahresfrist außer Kraft und die Pflichtteilsergänzungsansprüche weiterer Erben bleiben also auch nach der 10 Jahresfrist noch bestehen. Deshalb ist eine Minderung von Pflichtteilsansprüchen bei Schenkungen mit vereinbartem Nießbrauch also nicht möglich. Allerdings kann dieses Problem umgangen werden, wenn statt einem Nießbrauch ein Wohnrecht vereinbart wird, das sich nicht auf die 10- Jahresfrist auswirkt. Dabei ist dies insbesondere möglich, wenn ein abgeschwächtes Wohnrecht vereinbart wird, das sich nur auf Teile einer Immobilie bezieht.
Das Ehepaar Heinrich hat das Familienhaus auf die Kinder übertragen und sich dabei ein Wohnrecht für die obere Etage gesichert. Hierbei geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Erblasser durch das anteilige Wohnrecht nicht mehr als Hauptbewohner der Immobilie anzusehen sind und sie diese deshalb auch nicht mehr wesentlich genutzt haben. Jedoch handelt es hierbei um Einzelfallentscheidungen, bei denen individuell entscheiden wird, ob ein Wohnrecht eine Auswirkung auf die 10 – Jahresfrist der Anrechnung von Schenkungen hat.
Bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen findet das Niederstwertprinzip Anwendung, wenn eine Immobilie oder ein Grundstück verschenkt werden. Hierbei wird immer der Wert der verschenkten Immobilie zum Zeitpunkt der Schenkung mit dem Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls verglichen. Bei einer Berechnung von Pflichtteilen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist dann immer der niedrigere Wert maßgeblich. Dabei wird auch bei einer Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen bei einem Nießbrauch das benannte Niederstwertprinzip angewandt. .
Für den Fall dass der wert einer Immobilie zum Zeitpunkt der Schenkung niedriger ist als zum Zeitpunkt des Erbfalls und er deshalb zur Berechnung des Pflichtteils herangezogen wird, wird auch der Wert des Nießbrauchsrechts vom Pflichtteil abgezogen. Ist hingegen der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls der Niedrigere, wird der Wert des Nießbrauchs nicht abgezogen, denn der Nießbrauch erlischt ja zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Der Wert einer verschenkten Immobilie beträgt zum Zeitpunkt der Schenkung 450.000 € und zum Zeitpunkt des Erbfalls 400.000 €. Der Wert des Nießbrauchs des Schenkers wird mit 200.000 € ermittelt und ergibt sich aus dem Wert, den sich der Erblasser gespart hat in Form von Mietzahlungen. In diesem Fall liegt also der niedrigere Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls vor und deshalb wird der Nießbrauch auch nicht bei der Berechnung des Pflichtteils abgezogen. Deshalb werden für die Berechnung von Pflichtteilen die 400.000 € zugrunde gelegt.
Für den Fall, dass der Schenkungswert niedriger wäre, würde der Nießbrauchswert in Höhe von 200.000 € von den 450.000 € abgezogen und dann für die Berechnung des Pflichtteils 250.000 € zugrunde gelegt werden. Es zeigt sich also in diesen Rechenbeispielen, dass diese Wertfeststellung nach dem Niederstwertprinzip problematisch sein kann bei Schenkungen mit einem Nießbrauchrecht.
Schenkungen , die mit einem Nießbrauch verbunden sind, können also im Erbfall problematisch werden und Pflichtteilsergänzungsansprüche weiterer Erben auslösen. Deshalb sollte man sich als Erblasser im Vorfeld einer derartigen Schenkung immer von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht beraten lassen. Hierbei kann dieser zunächst einmal darüber aufklären, in welchen Fällen eben die 10. Jahresfrist für die Abschmelzung von Schenkungen außer Kraft gesetzt ist und je nach individuellem Fall dann eben auch alternative Regelungsmöglichkeiten vorschlagen und insbesondere alternativ auch ein Wohnrecht prüfen.
Ferner wird ein Anwalt für Erbrecht natürlich auch benachteiligte Erben beraten, die in Fällen von Schenkungen mit einem Nießbrauch dann in einem Erbfall ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen wollen. Hierbei kann er sie zur rechtlichen Lage im Einzelfall aufklären und auch eine Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche für seinen Mandanten vornehmen. Lassen Sie sich beraten von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht zum Thema Pflichtteilsergänzungsanspruch Nießbrauch.
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