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Testierfreiheit – Einschränkungen & mehr

Der gesetzliche Begriff der Testierfreiheit beschreibt die Freiheit des Erblassers in seinem Testament zu bestimmen, wer sein Rechtsnachfolger sein soll und an welche Menschen nach dem eigenen Ableben sein Vermögen weitergegeben werden soll. Jedoch wird auch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des letzten Willens durch bestimmte andere Rechte wiederum eingeschränkt. Deshalb wollen wir Ihnen in diesem Beitrag die Möglichkeiten und auch Beschränkungen der Testierfreiheit näher bringen und dabei auch aufzeigen, welche Wirkungen z. B. Pflichtteilsansprüche, Erbverträge, gemeinschaftliche Testamente und Erbschaftssteuern auf die Testierfreiheit haben können.
Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter der Testierfreiheit?

Die Testierfreiheit bezeichnet das Recht einer Person, in einem Testament oder einer anderen letztwilligen Verfügung frei darüber entscheiden zu dürfen, wie sein Vermögen im Erbfall verteilt werden soll. Dabei kann ein Erblasser auch entscheiden z. B. einen Alleinerben einzusetzen, eine Person zu enterben oder einer fremden Person ein Vermächtnis zukommen zu lassen.

Ferner kann er seine Erbschaft mit bestimmten Auflagen, Bedingungen oder auch Einschränkungen verbinden, wie z. B. Vor- und Nacherben bestimmen, einen Testamentsvollstrecker einsetzen oder einen Erbantritt vom Erreichen der Volljährigkeit abhängig machen. 

Dabei muss ein Erblasser durch die ihm garantierte Testierfreiheit auch keine Begründungen liefern, außer im Falle eines Pflichtteilentzuges, der nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Für den Fall, dass ein Erblasser jedoch keinen Gebrauch von seiner Testierfreiheit macht und keine letztwillige Verfügung erstellt, greift die gesetzliche Erbfolge, die für die Verteilung eines Vermögens klare Nachlass Regeln bietet.

Was unterscheidet die Testierfreiheit von der Testierfähigkeit?

Die Testierfreiheit gewährt einem Erblasser also die freie inhaltliche Gestaltung seines letzten Willens. Hingegen bezeichnet die Testierfähigkeit einer Person das grundsätzliche Recht darauf ein rechtswirksames Testament erstellen zu dürfen. Hierbei knüpft das BGB im §2229 diese Testierfähigkeit an Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen:

  • Eine Person muss das 16. Lebensjahr vollendet haben
  • Sie darf nicht unter einer Geistesschwäche, Bewusstseinsstörung oder Störung der Geistestätigkeit leiden
  • Ferner muss sie die Tragweite der eigenen Willenserklärung erkennen können.

Für den Fall, dass eine Person alle Voraussetzungen erfüllt, gilt sie nach deutschem Recht als testierfähig und kann somit ein rechtswirksames Testament erstellen. Hingegen ist ein Testament immer dann ungültig, wenn die betreffende Person zum Zeitpunkt der Testamentserstellung nicht testierfähig war.

Die grundsätzliche Testierfreiheit unterliegt wie alle Rechte jedoch gewissen Einschränkungen, die entweder gesetzlich verankert sind (Formvorschriften, Pflichtteile, Sittenwidrigkeit) oder aber der Erblasser sich selbst auferlegt, in dem er z. B. ein gemeinschaftliches Testament mit dem Ehepartner erstellt oder aber einen gegenseitigen Erbvertrag schließt. Deshalb sollen im Folgenden die verschiedenen Beschränkungen näher erläutert werden.

Gesetzliche Einschränkung durch das Pflichtteilsrecht

Die wichtigste Einschränkung erhält die persönliche Testierfreiheit durch das gesetzliche Pflichtteilsrecht. Dabei stehen nahen erbberechtigten Verwandten Pflichtteilsansprüche am Erbe eines Erblassers zu, die in der Regel nicht durch die Testierfreiheit ausgeschlossen werden können. Hierbei kann dieser Anspruch auf einen Mindestanteil am Nachlass des Verstorbenen nur bei Vorliegen ganz bestimmter strenger Voraussetzungen unter Angabe triftiger Gründe nach § 2333 BGB in einer letztwilligen Verfügungen ausgeschlossen werden. Grundsätzlich ist der Erblasser jedoch nicht verpflichtet, einen erbberechtigten Angehörigen auch als Erben einzusetzen, seine Pflichtteilsansprüche kann er jedoch zumeist nicht ausschließen.

Deshalb kann der Erblasser durch seine Testierfreiheit Pflichtteilsberechtigte durchaus von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen und damit enterben. Dabei können diese Angehörigen zwar der Enterbung widersprechen, jedoch wird dies in den meisten Fällen eben nur zur Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche führen. Hierbei besteht bei einem Pflichtteilsanspruch ein Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag aus dem Nachlass, der von den rechtmäßigen Erben eingefordert werden muss und in seiner Höhe der Hälfte des theoretischen gesetzlichen Erbteils dieser Enterbten entspricht. Allerdings unterliegt der Pflichtteilsanspruch einer 3-jährigen Verjährungsfrist, die mit der Kenntnis über den Erbfall beginnt. Zudem unterliegt die Testierfreiheit durchaus Einschränkungen die aus dem Pflichtteilsrecht wie folgt abzuleiten sind:

Testierfreiheit Pflichtteilsrecht
Freie Verfügung des Erblassers, für den Fall seines Todes über sein VermögenDie gesetzliche Erbfolge geht vom Verwandtenerbrecht aus
Auch vollkommen willkürliche Verfügungen des Erblassers sind wirksamDer Erblasser kann mit seiner Verfügung den Grundsatz des Verwandtenerbrechts durchbrechen
Es kommt nicht auf die Sinnhaftigkeit der Verfügung anBestimmte Verwandte werden in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils entschädigt, wenn sie enterbt werden (Pflichtteil)

Eine vollständige Enterbung ist kaum möglich

Für den Fall, dass ein Erblasser den Wert einer Erbschaft und damit auch Pflichtteilsansprüche senken möchte, so kann er dies durch frühzeitige Schenkungen oder eine Reduktion des Pflichtteils oder einen Pflichtteilsverzicht, bei dem die entsprechende Person meist gegen eine Abfindung auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet, erreichen. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, derartige Reduktionen anwaltlich vorab abzuklären, da diese nicht immer möglich sind.

Gesetzliche Einschränkung bei Sittenwidrigkeit

Außerdem stellt auch die Sittenwidrigkeit eine weitere Grenze der Testierfreiheit dar. Dabei ist ein sittenwidriges Verhalten dadurch definiert, dass es zwar nicht rechtswidrig ist, jedoch gegen die guten Sitten verstößt. Deshalb darf auch in einem Testament nicht gegen anerkannte moralische Werte verstoßen werden oder ein Erbe in seiner freien Willensbildung und seinen Grundrechten eingeschränkt werden.

Hierbei ist dies besonders zu beachten, wenn in einem Testament eine Erbschaft an Bedingungen geknüpft wird oder mit Testament Auflagen versehen ist. Dabei wäre z. B. die Auflage einer Scheidung von der Ehefrau als Bedingung für einen Erbantritt sittenwidrig. Allerdings ist die Beurteilung einer Sittenwidrigkeit in der Praxis nicht immer einfach und muss deshalb immer individuell festgelegt werden. Dabei bieten die Motivation des Erblassers, die geschützten Werte durch die Grundrechte oder auch der Zeitpunkt der Testamentserstellung eine Orientierungshilfe.

Gesetzliche Einschränkung bei Heimbewohnern

Ebenfalls als Einschränkung der Testierfreiheit zum Schutze des Erblassers sind die Regelungen des früheren Bundes-Heimgesetzes, die heute in den Heimgesetzen der Länder geregelt sind. Dabei ist es den Trägern eines Alten- oder Pflegeheims untersagt, sich von Heimbewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen zu lassen. Hierbei gilt dies auch für Zuwendungen an Leiter, Beschäftigte oder andere Mitarbeiter des Heims. Hierbei soll diese Einschränkung der Testierfreiheit die Heimbewohner vor einer Ausbeutung schützen und den Heimfrieden bewahren. Allerdings ist auch heute noch umstritten, ob diese Regeln auch für die häusliche Pflege Anwendung finden können.

Gesetzliche Einschränkung durch Formvorschriften

Ein Erblasser genießt beim Verfassen des letzten Willens große Freiheiten, ist jedoch auf der anderen Seite jedoch auch durch einige Formvorschriften bei der Erstellung eines letzten Willens eingeschränkt. Dabei muss der Erblasser die im Gesetz festgelegten Formen der Verfügung von Todes wegen beachten. Hierbei muss z. B. ein Testament entweder privatschriftlich (vollständig handschriftlich)oder zur Niederschrift beim Notar verfassen oder bei diesem einen einen Erbvertrag aufsetzen lassen. Deshalb sind bei allen Varianten des letzten Willens genaue Formvorschriften einzuhalten. Deshalb kann z. B. ein Testament nicht mit dem Computer selbst geschrieben werden oder am Telefon weitergegeben werden.

Gesetzliche Einschränkung durch die Erbschaftssteuer

Eine zusätzliche Einschränkung in der Testierfreiheit des Erblassers, über sein Vermögen auch für den Todesfall frei bestimmen zu können, ist die staatlich festgesetzte Erbschaftsteuer. Dabei partizipieren ab einer gewissen Vermögenshöhe nicht nur die im Testament festgesetzten Erben, sondern mit einem Prozentsatz von bis zu 50% eben auch der Staat an einem Nachlass. Deshalb sind Bestimmungen in einem Testament, wonach der Staat von einer Erbschaft nichts erhalten soll und die Steuererhebung vom Erblasser ausdrücklich nicht gewünscht wird, unwirksam.

Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung keine Einwände gegen die Erhebung der Erbschaftsteuer und die damit verbundene Einschränkung der Testierfreiheit. Dabei stellen die Verfassungsrichter zur Erbschaftssteuer folgendes fest: „Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes“ (so z.B. BVerfG, Beschluss vom 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07).

Freiwillige Beschränkung durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament

Grundsätzlich darf die Testierfreiheit nicht durch vertragliche Verpflichtungen eingeschränkt werden nach § 2392 BGB, da das Testament dem unverfälschten Willen des Erblassers entsprechen soll. Jedoch sind hierbei Ausnahmen vorgesehen für den Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament unter Ehepartnern. Hierbei binden sich die Vertragsparteien gegenseitig an den letzten Willen in den beiden Verfügungen. Für den Fall, dass einer der beiden Vertragspartner verstirbt, bleiben die Bestimmungen aus dem gemeinsamen Erbvertrag oder Testament gültig. Deshalb schränken sie auch die Testierfreiheit des überlebenden Vertragspartners ein, falls dieser ein weiteres Testament erstellen will.

Welche Möglichkeiten haben Erben bei einer Verletzung der Testierfreiheit?

Für den Fall, dass Angehörige durch die Testamentseröffnung erfahren, dass sie durch die Erbschaft benachteiligt werden, können sie eine Anfechtung des Testamentes anstrengen. Dabei kann eine Anordnung im Testament für ungültig erklärt werden, wenn diese die Testierfreiheit überschreitet. Jedoch wird in diesem Falle nicht gleich das ganze Testament ungültig. Allerdings kann für den Fall, dass ein Erblasser die restlichen Bestimmungen in einem Testament anders gestaltet hätte ohne diese ungültige Anordnung, auch das gesamte Testament für ungültig erklärt werden nach § 2085 BGB. In diesem Fall würde dann die gesetzliche Erbfolge das ungültige Testament ersetzen.

Wie kann ein Anwalt bei Fragen der Testierfreiheit helfen?

Für einen Erblasser kann es mitunter schwierig sein zu beurteilen, welche seiner gewünschten Regelungen für eine letztwillige Verfügung evtl. nicht von der Testierfreiheit gedeckt sind. Deshalb empfiehlt es sich immer, hierzu den Rat und die Unterstützung eines erfahrenen Juristen für Erbrecht einzuholen. Dabei kann dieser die gewünschten Verfügungen prüfen und ggf. auch Vorschläge zu Formulierungen und Anpassungen machen.

Ferner kann er natürlich auch ein privatschriftliches Testament prüfen oder ein Testament entsprechend den Wünschen seines Mandanten vorformulieren. Zusätzlich informiert ein Rechtsanwalt für Erbrecht natürlich über alle Beschränkungen der Testierfreiheit, klärt zum Pflichtteilsrecht auf und zu ggf. sittenwidrigen Bedingungen und Auflagen. Außerdem prüft er die Einhaltung der Formvorschriften und kann auch Auskunft zu erbschaftsteuerlichen Fragen geben. Lassen Sie sich beraten von einem erfahrenen und spezialisierten Rechtsexperten für Erbrecht zu Ihrer Testierfreiheit.

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FAQ: Testierfreiheit

Testierfähigkeit nennt man die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten. Deshalb sind in Deutschland alle geistig gesunden Personen, sofern sie mindestens 16 Jahre alt sind, testierfähig. Für den Fall, dass eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine Bewusstseinsstörung zum Zeitpunkt der Testamentaufsetzung vorliegt, ist diese Person hingegen testierunfähig.
Die Testierfreiheit gewährt einem Erblasser die freie inhaltliche Gestaltung seines letzten Willens. Hingegen bezeichnet die Testierfähigkeit einer Person das grundsätzliche Recht, ein rechtswirksames Testament erstellen zu dürfen.
Die Testierfreiheit kann durch gesetzliche Vorgaben, wie z. B. Formvorschriften, Verbot der Sittenwidrigkeit, Pflichtteilsrecht oder Erbschaftssteuer eingeschränkt sein. Außerdem kann ein Erblasser auch seine Testierfreiheit freiwillig einschränken, indem er z. B. einen Erbvertrag abschließt oder ein gemeinschaftliches Testament mit dem Ehepartner erstellt
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Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion

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