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Erbe ohne Erbschein – Rechtslage, Alternativen & mehr

Tritt ein Erbfall ein, so stellt sich für die Erben oftmals schnell die Frage, ob ein Erbschein beim Nachlassgericht beantragt werden muss. Durch den Erbschein können sich die Erben als Rechtsnachfolger der verstorbenen Person ausweisen können. Doch nicht in jedem Erbfall wird ein Erbschein benötigt. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen darstellen, in welchen Fällen ein Erbe ohne Erbschein möglich ist und welche Alternativen es gibt, wenn für die Erbschaft kein Erbschein vorhanden ist.
Inhaltsverzeichnis

Rechtslage zum Erbe ohne Erbschein

Im Falle einer Erbschaft, muss gemäß deutschem Erbrecht ein Erbschein nicht unbedingt von den Erben beantragt werden. Auch ohne einen Erbschein bleibt ein Erbe der rechtmäßige Rechtsnachfolger einer verstorbenen Person, entweder durch ein Testament oder durch die gesetzliche Erbfolge.

Mit dem Eintritt des Erbfalls wird der Erbe somit automatisch der neue Eigentümer und auch der Verfügungsberechtigte über sämtliche Vermögenswerte, die der Erblasser hinterlassen hat. Das Erbe ohne Erbschein ist somit gemäß geltenden Recht durchaus möglich.

Jedoch bedeutet die Erbenstellung als neuer Eigentümer des Erblasservermögens in der Praxis noch nicht, dass der Erbe auch über das Vermögen verfügen kann. Dabei sind insbesondere in zwei Fällen die Verfügungsrechte eines Erben eingeschränkt und er ist dann dazu gezwungen, sich beim Nachlassgericht einen Erbschein als Dokumentation seiner Rechte zu besorgen.

Immobilien und Bankkonten in der Erbschaft

Wenn in einer Erbschaft Immobilien vorhanden sind, so müssen diese nach dem Tod des Erblassers auf den Erben umgeschrieben werden. Hierbei verlangt das Grundbuchamt vom Erben jedoch einen Nachweis, der ihn als Rechtsnachfolger des Erblassers aufweist und bestätigt, dass er seine Rechte berechtigt in Anspruch nimmt. Erst dann wird das Grundbuchamt die Umschreibung vom Erblasser auf den Erben als neuen Eigentümer vornehmen. Hierbei kann nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO (Grundbuchordnung) der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nur durch einen Erbschein geführt werden.

Auch die Auflösung der Konten des Erblassers ist eine Situation, in der ein Erbe einen Erbschein vorweisen muss bei der Bank. Hierbei müssen Banken prüfen, ob ein vermeintlicher Erbe auch berechtigt ist, auf die Konten einer anderen Person zuzugreifen. Dafür verlangt sie einen Nachweis über die Erbberechtigung, der in der Regel über einen Erbschein erbracht wird.

Problematik Erbschein

In manchen Fällen kann also ein Erbschein notwendig sein, um Verfügungen zu einer Erbschaft zu treffen. Jedoch ist der Prozess der Erbschein Beantragen durchaus aufwändig und braucht auch eine gewisse Zeit, in der der Erbe dann praktisch handlungsunfähig ist. Zunächst muss man hierfür beim Nachlassgericht das eigene Erbrecht über eine Vielzahl von Dokumenten nachweisen, die man als Erbe nicht unbedingt griffbereit hat und erst bei Behörden anfordern muss. Außerdem kostet ein Erbschein auch Geld. Hierbei entstehen die Gebühren in Abhängigkeit vom Nachlasswert. Dabei sind bei einem Nachlasswert von 250.000 € durchaus 1000 € für den Erbschein fällig.

Alternativen zum Erbschein

Die Kosten und die aufwändige Beantragung eines Erbschein lassen viele Erben überlegen, wie sie Erbscheinsverfahren umgehen können. In vielen Erbfällen benötigt man auch keinen Erbschein und kein Erbe ist verpflichtet, einen Erbschein zu beantragen. In Bezug auf seine Rechtsposition als rechtmäßiger Erbe macht der Erbschein keinen Unterschied. Für den Fall, dass man im Rahmen eines Erbes weder dem Grundbuchamt oder einer Bank gegenüber legitimieren muss und auch sonst niemand einen Erbnachweis einfordert, kann man immer auf den Erbschein verzichten.

Das notarielle Testament als Alternative zum Erbschein

Für den Fall, dass man als Erbe durch ein notarielles Testament eingesetzt wurde, kann man sich den Erbschein für das Grundbuchamt und die Bank ebenfalls sparen. Hierbei kann eine Erbe seine Erbberechtigung nämlich auch in diesen Fällen ohne weitere Legitimierungen durch die Vorlage des notariellen Testamentes und dem dazugehörigen Eröffnungsprotokolls der Testamentseröffnung ausweisen.

Diese alternative Möglichkeit ist ausdrücklich im § 35 Abs. 1 S. 2 GBO für das Grundbuchverfahren vorgesehen. Nach der allgemeinen Rechtsprechung dürfen auch Banken nicht durch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Erben grundsätzlich die Vorlage eines Erbscheins fordern und sind verpflichtet, auch andere Erbnachweise wie eben ein notarielles Testament zu akzeptieren. Ferner müssen Banken auch bei kleineren Erbfällen ein privatschriftliches Testament als legitimen Nachweis für eine Erbberechtigung akzeptieren und dürfen in diesen Fällen dann keinen kostspieligen Erbschein verlangen.

Kostenvorteil des notariellen Testaments

Der Kostenvorteil eines notariellen Testamentes gegenüber einem Erbschein ergibt sich daraus, dass die Gebühr für die Beurkundung eines notariellen Testaments geringer ist als die Kosten für den Erbschein, die sich aus Gebühr für den Antrag und einer weiteren Gebühr für die Erteilung des Erbscheins zusammensetzen.

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Fallbeispiel für das öffentliche Testament als Alternative zum Erbschein

Bei einem Nachlasswert von € 500.000 kostet die Beurkundung eines Testaments einschließlich Beratung und Entwurfsfertigung durch den Notar eine Gebühr von € 935,00 (zzgl. Kosten für das Zentrale Testamentsregister von € 15,00, Auslagen und 19% MwSt.). Diese Gebühr ist vom Erblasser zu entrichten, wenn er das notarielle Testament errichtet.

Hingegen entsteht für die Beantragung eines Erbscheins beim gleichen Nachlasswert eine Gebühr von € 935,00 (ggf. zzgl. MwSt.) und für die Erteilung des Erbscheins eine weitere Gebühr beim Nachlassgericht in Höhe von € 935,00. Damit fallen für den Erbschein also doppelte Kosten an !In diesem Fall sind diese auch vom Erben zu zahlen, der zusätzlich noch die Bearbeitungszeit für den Erbschein in Kauf nehmen muss und einiges an Dokumenten beibringen muss.

Die lebzeitige Vollmacht als Alternative für ein Erbe ohne Erbschein

Plant ein Erblasser die Folgen der Erbschaft bereits zu Lebzeiten mit Voraussicht, hat er auch noch die Möglichkeit, einen Erben mit entsprechenden Vollmachten auszustatten, die ihm die Beantragung eines Erbscheins ersparen können. Hierbei kann er ihm z. B. eine Kontovollmacht ausstellen, die er grundsätzlich formlos erstellen kann. Außerdem hält auch jede Bank für diese Zwecke entsprechende Formulare bereit.

Beachten Sie...,

Für den Fall jedoch, dass ein Erblasser einem Erben bereits zu Lebzeiten eine grundbuchrechtliche Vollmacht ausstellen will, damit dieser nach Eintritt des Erbfalls z. B. eine Immobilie auf sich umschreiben lassen kann, muss er diese nach § 29 GBO öffentlich beglaubigen lassen. Dafür muss ein Erblasser also noch zu seinen Lebzeiten einen Notar aufsuchen, um eine Vollmacht für diesen Zweck erstellen zu können.

Einsatz eines Testamentsvollstreckers

Entscheidet sich ein Erblasser dazu, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen, sorgt dieser dafür, dass die Anordnungen aus seinem Testament entsprechend seinen Wünschen umgesetzt werden. Wurde ein Testamentsvollstrecker bereits durch den Erblasser benannt oder von einem Nachlassgericht bestimmt, so kann sich dieser im Rechtsverkehr legitimieren durch die Vorlage seines Testamentsvollstreckerzeugnisses, das er beim Nachlassgericht beantragen muss. Dadurch ist er dann in der Lage, sich als legitimer Vertreter des Erblassers um die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben zu kümmern und benötigt auch beim Grundbuchamt oder bei den Banken keinen Erbschein.

Wie kann ein Anwalt für Erbrecht beim Erben ohne Erbschein helfen ?

Will man als Erblasser die Abwicklung des eigenen Nachlasses vorausschauend planen, empfiehlt es sich immer, eine Beratung bei einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht in Anspruch zu nehmen. Dabei kann dieser auch im Rahmen der Erläuterung zur Erbauseinandersetzung bereits auf die Problematik des Erbscheins für die Erben hinweisen und die Vorzüge eines notariellen Testaments oder einer Vollmachtserteilung darlegen. Auch wird er ihn über die Möglichkeiten einer angeordneten Testamentsvollstreckung aufklären, wenn dies eine sinnvolle Option im konkreten Fall darstellen könnte. Dabei wird er natürlich auch für seinen Mandanten die Erstellung dieser Dokumente vorbereiten.

Ferner kann ein Anwalt für Erbrecht natürlich auch einen Erben beraten, ob im individuellen Fall die Beantragung eines Erbscheins notwendig ist und ihm ggf. dann bei der Beantragung und der Einholung der dafür notwendigen Dokumente helfen. Lassen Sie sich beraten von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht zum Thema Erbe ohne Erbschein.

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FAQ: Erbe ohne Erbschein

Man braucht einen Erbschein nur dann, wenn man seine Erbenstellung nicht anderweitig nachweisen kann oder es Unstimmigkeiten darüber gibt, wer tatsächlich Erbe wird. Gibt es kein Testament und ist man aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zum Erben berufen, kann ein Erbschein notwendig sein.
Ein Erbschein wird nicht automatisch nach dem Tod eines Erblassers ausgestellt. Er muss beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden. Sobald ein Antrag auf einen Erbschein gestellt wurde, erklärt sich der Erbe zur Übernahme des Nachlasses inklusive vorhandener Schulden bereit.
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Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion

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