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Bedürftigen­testament – Funktion, Regeln & Kosten

Wenn ein Erblasser nach seinem Tode eine Person begünstigen möchte, die bedürftig ist, ist das Bedürftigentestament eine Möglichkeit, verschiedene Probleme, die mit einer derartigen Erbschaft verbunden sind, zu vermeiden. Dabei ist meist das Ziel, z. B. im Falle einer Insolvenz den Nachlass nicht dem Zugriff der Gläubiger auszusetzen. Deshalb wollen wir Ihnen in diesem Beitrag die Möglichkeiten darstellen, die über das Verfassen eines Bedürftigentestaments genutzt werden können und wie man auch das Erbe vor einem Zugriff durch den Staat schützen kann. Ferner zeigen wir Ihnen auf, wie Sie ein derartiges Testament erstellen können und wie man es auch wieder ändern, widerrufen oder anfechten kann.
Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter einem Bedürftigen­testament genau?

Das Bedürftigentestament ist den meisten Menschen als Begriff nicht so geläufig. Wer jedoch in seinem Testament Personen begünstigen will, z.B. den Ehepartner oder ein Kind, die sich in einer Privatinsolvenz befinden oder Hartz-IV-Empfänger sind, sind besondere Maßnahmen gefordert.

Hierbei gilt es insbesondere, einen bedürftigen oder überschuldeten Erben freizuhalten von Forderungen des Sozialamtes oder des Staates. Deshalb zielt ein Bedürftigentestament darauf ab, die Lebenssituation des bedürftigen Angehörigen zu verbessern und zu vermeiden, dass der Staat ein Erbe als Ausgleich für bereits erhaltene Sozialleistungen einzieht. 

Dabei kann durch spezielle Regelungen im Testament (z. B. Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbschaft) der staatliche Zugriff wirksam verhindert werden. Durch ein Bedürftigentestament soll demnach die Lebenssituation eines bedürftigen Angehörigen verbessert werden, das vererbte Vermögen in der Familie bleiben, der Zugriff eines Sozialleistungsträger verhindern werde, und der Erbe davor geschützt werden, den eigenen Anspruch auf Sozialleistungen zu verlieren.Hierbei gilt ein Bedürftigentestament als eine Variante des Behindertentestaments, die im Folgenden näher ausgeführt werden soll.

Wie kann man sein Erbe vor dem Zugriff des Staates schützen?

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2015 zum Bedürftigentestament ist es möglich, die zum Behindertentestament entwickelten rechtlichen Grundsätze auch für das Bedürftigentestament anzuwenden.

Abgrenzung des Bedürftigentestament zum Behindertentestament

Wenn ein Behindertentestament von einem Erblasser zugunsten einer körperlich oder geistig behinderten Person aufgesetzt wird, die wegen einer Behinderung erwerbsunfähig ist und deshalb Sozialleistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe, Grundsicherung) bezieht, wird durch diese Testamentsform eine weitere Pflege des Behinderten garantiert werden, ohne dass dabei der Staat auf das Erbe zugreifen kann.

Im Gegensatz dazu ist das Bedürftigentestament eine an das Behindertentestament angenäherte Testamentsform zum Vorteil einer Person, die regelmäßig Sozialleistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) erhält, aber trotzdem erwerbsfähig wäre. Dabei wird dieses Arbeitslosengeld vom Sozialleistungsträger, entgegen dem Fall von Sozialleistungen nach SGB XII, nicht dauerhaft gewährt.

Dabei galt das Bedürftigentestament lange Zeit als rechtlich umstritten und sittenwidrig, jedoch werden jetzt dadurch die Übereinstimmung mit dem Behindertentestament auch bei einem Bedürftigentestament die erbrechtlichen Mittel der Vor- und Nacherbschaft, der Testamentsvollstreckung und andere rechtliche Möglichkeiten eingesetzt. Jedoch muss ein Erblasser, der einem bedürftigen Menschen etwas vererben will ohne einen Verlust seiner Sozialleistungen zu riskieren, einige spezielle Vorgaben einhalten.

Allgemeine Regeln zur Einsetzung eines bedürftigen Erben

Ein Erblasser kann durch seine Testierfreiheit frei darüber entscheiden, wen er an seinem Nachlass beteiligen will und die Testament Erbfolge selbst bestimmen . Allerdings sind dabei grundsätzlich einige Regelungen zu beachten und Entscheidungen zu treffen:

Der Bedürftige wird als Vorerbe eingesetzt. Damit ist er als Vorerbe nur ein Erbe auf Zeit und das Erbe geht zu einem späteren Zeitpunkt auf einen Nacherben über. Es muss ein Nacherbe bestimmt werden. Dabei erhält dieser Schlusserbe dann das gesamte Erbe des Vorerben, sobald dieser verstirbt oder ein testamentarisch festgelegter Zeitpunkt eintritt. Ferner wird ein Testamentsvollstrecker benannt, der mit der Nachlassverwaltung für den Bedürftigen Erben beauftragt wird.

Pflichtteilsberechtigte, bedürftige Erben müssen mit einem Erbteil bedacht werden, der höher als ihr Pflichtteil ausfällt, da ansonsten der Sozialhilfeträger verlangen kann, dass eine Erbschaft abgelehnt werden muss, um den höheren Pflichtteil zu erhalten.

Gestaltung der Vorerbschaft und Nacherbschaft

Der Einsatz von Vor- und Nacherben bei einem Bedürftigentestament ist notwendig, um die Forderungen des Sozialhilfeträgers vermeiden zu können. Hierbei kann ein Erblasser dann auch noch entscheiden, ob er den bedürftigen Erben als befreiten Vorerben oder als nicht befreiten Vorerben einsetzen will. Dabei wird durch diese Entscheidung dann auch festgelegt, welche Verfügungsmöglichkeiten über das Erbe einem Bedürftigen eingeräumt werden. Außerdem wirkt sich diese Entscheidung auch auf die Zugriffsmöglichkeit des Staates aus.

Der befreite Vorerbe

Wird ein bedürftiger Erbe als freier Vorerbe eingesetzt, so kann er auch frei über sein Erbe und die Verwendung entscheiden. Hierbei hat ein eingesetzter Nacherbe dann kein Mitspracherecht. Allerdings kann in diesem Fall der Sozialhilfeträger die Zahlungen einstellen und auf das Erbe verweisen.

Der nicht befreite Vorerbe

Für den Fall, dass ein bedürftiger Erbe als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt wird, kann er nur mit der Zustimmung des Nacherben über seinen Erbteil verfügen.

Der Nacherbe

Neben dem Vorerben muss ein Erblasser somit auch einen Nacherben bestimmen, der den Nachlass erst zu einem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt vom Vorerben erhält. Hierbei tritt der Nacherbe zumeist erst mit dem Todesfall des Vorerben die Erbschaft dann an. Allerdings kann der Erblasser auch jeden anderen Zeitpunkt für den Übergang des Erbes vom Vorerben auf den Nacherben festlegen (z. B. Volljährigkeit des Vorerben).

Dabei werden zumeist nahe Verwandte des Vorerben zum Nacherben bestimmt, wie z. B. die Kinder des Vorerben oder seine Geschwister. Jedoch ist theoretisch auch jede andere Person als Nacherbe einsetzbar. Dabei hat ein Nacherbe auch schon vor dem Eintritt seines Erbfalls verschiedene Rechte gegenüber dem Vorerben und dem Nachlass. Hierbei handelt es sich um:

  • das Recht auf Auskunft gegenüber dem Vorerben, durch das er eine vollständige Auskunft über den geerbten Nachlass verlangen kann.
  • Will ein Vorerbe z. B. Grundstücke verkaufen oder beleihen, muss er vorab das Einverständnis des Nacherben einholen.
  • Der Vorerbe kann ohne die Zustimmung des Nacherben auch keine Gegenstände aus dem Nachlass verschenken oder unter Wert verkaufen.
Beispiel für die Nacherbenregelung

Die Erbschaft besteht aus einem Mietshaus, bei dem der Vorerbe als Bedürftiger zwar die Mieten einnehmen darf, jedoch das Haus nicht verkaufen darf. Für den Fall, dass der Vorerbe verstirbt, geht das Mietshaus automatisch auf den Nacherben über. Um jedoch auch die Mieteinnahmen vor dem Zugriff des Staates zu schützen, wird zusätzlich eine Testamentsvollstreckung angeordnet, die im Folgenden näher erläutert wird.

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Funktion des Testaments­vollstreckers

Ein vom Erblasser bestimmter Testamentsvollstrecker verwaltet und überwacht die testamentarischen Regelungen. Dabei übernimmt er im Falle eines Bedürftigentestaments die Aufgabe einer Dauervollstreckung für die Erbmasse des bedürftigen Erben und überwacht auch, ob dieser Erbe die Auflagen des Erblassers einhält. Hierbei muss ein Erblasser jedoch die Testamentsvollstreckung derart gestalten, dass sich die Lebenssituation des bedürftigen Vorerben zwar verbessert, jedoch der Zugriff des Sozialhilfeträgers vermieden werden kann.

Deshalb ist es zu empfehlen, durch den Testamentsvollstrecker anstatt Geldleistungen eben Naturalleistungen dem bedürftigen Erben zukommen zu lassen, da Geldzahlungen auf die Sozialleistungen angerechnet werden können. Dabei werden als Naturalleistungen z. B. Arztkosten gewertet, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden sowie Kosten für Bekleidung und Hobbys. Jedoch kann der bedürftige Erbe bei dieser Regelung eben nicht frei über die Erträge des Erbes verfügen und ist auf die Zuteilung des Testamentsvollstreckers angewiesen.

Auswahl des Testamentsvollstreckers

Bei der Auswahl eines Testamentsvollstreckers sollte man den bedürftigen Erben mit einbeziehen. Dabei ist dann bestmöglich gewährleistet, dass die Kooperation funktioniert und Streitigkeiten vermeiden werden. Ferner bietet es sich auch an, einen Ersatzvollstrecker zu bestimmen, für den Fall, dass ein ursprünglich bestimmter Testamentsvollstrecker sein Amt nicht antreten kann oder will. Außerdem sollte auch die Vergütung für die Testamentsvollstreckung im Testament geregelt werden.

Wichtig hierbei ist ...

Für den Fall, dass es sich um einen minderjährigen bedürftigen Erben handelt, muss zusätzlich ein Vormund bestimmt werden. Dabei kann dieser gleichzeitig auch Testamentsvollstrecker sein, jedoch ist eine Trennung der beiden Aufgaben zu empfehlen, damit der Vormund auch eine gewisse Kontrolle gegenüber dem Testamentsvollstrecker ausüben kann.

 

Bestimmung der Laufzeit einer Vorerbschaft

Bei der Erstellung eines Bedürftigentestaments muss ein Erblasser beachten, dass die Regelungen zur Vorerbschaft und einer Testamentsvollstreckung auf den Zeitraum einer Bedürftigkeit begrenzt werden. Hierbei kann also in Betracht gezogen werden, dass der bedürftige Erbe z. B. wieder berufstätig wird und dann nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen ist. Dabei kann der Erblasser dann verfügen, dass die Bestimmungen aus dem Bedürftigentestament durch andere Erbbedingungen ersetzt werden.

Formelles zum Bedürftigen­testament

Grundsätzlich unterscheidet sich ein Bedürftigentestament in Bezug auf die Formvorschriften nicht von anderen Testamenten. Dabei ist ein Erblasser frei in seiner Wahl, ob er das Testament selbst erstellen will, als privatschriftliches Testament, oder es bei einem Notar aufsetzen will. Hierbei muss ein privatschriftliches Testament vollständig handschriftlich und lesbar erstellt werden und persönlich unterschrieben werden.

Allerdings fordert die Erstellung eines Bedürftigentestaments eine hohe Kompetenz, um inhaltliche als auch juristische Fallstricke zu vermeiden. Dabei gilt dies insbesondere in den Fällen, in denen das Testament selbst erstellt wurde. Hierbei besteht immer die Gefahr, dass diese Testamente schon aufgrund von Formfehlern angefochten und auch für ungültig erklärt werden können. Deshalb sollten hierbei auch keine Mustertexte zum Einsatz kommen, die keine Rechtssicherheit bieten können und für den individuellen Fall meist ungeeignet sind.

Kann man ein Bedürftigen­testament ändern, widerrufen oder anfechten?

Ein Bedürftigentestament kann als privatschriftliches Testament jederzeit geändert oder auch aufgehoben werden. Dabei muss ein Erblasser auch keine Begründung abgeben und kann seinen letzten Willen frei gestalten. Für den Fall jedoch, dass das Testament notariell erstellt wurde oder bei einem Nachlassgericht hinterlegt wurde, muss eine Änderung oder auch ein Widerruf notariell beurkundet werden oder beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden.

Das Bedürftigen­testament anfechten

Für den Fall, dass jemand ein Bedürftigentestaments für nicht rechtmäßig hält, kann er es beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch anfechten. Allerdings muss derjenige, der das Testament anfechtet auch die Beweise erbringen und einen Anfechtungsgrund anführen. Hierbei kommen bei einem Bedürftigentestament z. B. Formfehler oder aber auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit, des Irrtums, der Fälschung oder auch der Testierunfähigkeit des Erblassers in Betracht.

Dabei wurde bereits zum Bedürftigentestament viel juristisch diskutiert, ob die Systematik der Vor- und Nacherbschaft und der Testamentsvollstreckung nicht sittenwidrig wäre. Hierbei wurde immer wieder angeführt, dass ein Begünstigter von einer Erbschaft profitieren kann ohne jedoch dabei frei über sein Erbe verfügen zu können. Außerdem wird durch diese Testamentsform der Begünstigte auch davor geschützt, seine Ansprüche auf Sozialleistungen einzubüßen, weshalb gerade die Sozialleistungsträger dies als nicht rechtmäßige Benachteiligung angeführt haben.

Jedoch wird heute nach der Rechtsprechung in Deutschland das Bedürftigentestament als wirksames Testament anerkannt und in verschiedenen Gerichtsurteilen die Sittenwidrigkeit abgelehnt.

 

Die Vor- und Nachteile des Bedürftigen­testaments im Überblick:

Das Bedürftigentestament
VORTEILENACHTEILE
Verbesserung der Lebensumstände eines BedürftigenAnspruchsvolle Testamentserstellung
Kein staatlicher Zugriff auf das ErbeKomplexe Gestaltung (Vor- und Nacherbschaft, Testamentvollstreckung, etc…
Keine Anrechnung auf SozialleistungenFehlerhafte Gestaltung kann staatliche Ansprüche auslösen
Das Vermögen bleibt in der Familie
Substanz des Nachlasses wird nicht vom Vorerben verzehrt
Erblasser kann Zeitpunkt der Nacherbfolge selbst festlegen

Wie kann ein Anwalt beim Bedürftigen­testament helfen?

Ein Bedürftigentestament rechtswirksam zu erstellen, ist eine juristisch anspruchsvolle Angelegenheit. Deshalb ist es auch nicht zu empfehlen, ein derartige Testament eigenhändig ohne fachkundige Beratung zu erstellen. Hierbei sollte man immer die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwaltes für Erbrecht in Anspruch nehmen und sich in der individuellen Situation von einem Spezialisten beraten.

Dabei kann dieser sowohl die persönliche Situation und den Regelungsbedarf klären als auch entsprechende Vorschläge zur Ausgestaltung eines Bedürftigentestamentes machen. Hierbei kann er Vorschläge zur Ausgestaltung des Vorerbes machen und auch die Möglichkeiten der Testamentsvollstreckung klären. Ferner wird er seinen Mandanten auch zur Laufzeit des Bedürftigentestamentes beraten und ggf. auflösende Bedingungen vorschlagen. Lassen Sie sich beraten von spezialisierten Experten für Erbrecht, um ihre Familiensituation in einer testamentarischen Verfügung optimal zu regeln.

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FAQ: Bedürftigen­testament

Fällt die Erbschaft vor der Erstantragstellung an, handelt es sich um Vermögen. Das bedeutet, dass man mehr Geld behalten darf als wenn man während des Hartz4-Bezugs erbt. Vermögensfreibeträge erlauben es dabei, auch während des Hartz 4-Bezugs eine kleine finanzielle Reserve zu haben.

Das Sozialamt kann von den Erben eines Sozialhilfeempfängers Ersatz fordern für die in den letzten zehn Jahren geleistete Sozialhilfe. Jedoch gilt dies nicht für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Auch für Erben von Hartz IV-Empfängern gilt der Ersatzanspruch nicht.

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Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion

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