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Vorweggenommene Erbfolge § Rechtslage, Gründe & Besonderheiten

Als vorweggenommene Erbfolge bezeichnet man im Erbrecht die Übertragung von Vermögen durch einen künftigen Erblasser auf einen oder mehrere künftige Erben zu Lebzeiten. Dabei bietet diese Form der Übertragung von Vermögenswerten einige Vorteile gegenüber einer Vermögensregelung durch einen Erbvertrag oder ein Testament. Deshalb wollen wir in diesem Beitrag alles Wichtige zur vorweggenommenen Erbfolge zusammenstellen und dabei auch häufig gestellte Fragen beantworten.
Inhaltsverzeichnis

Definition der vorweggenommenen Erbfolge

Unter einer vorweggenommenen Erbfolge BGB versteht man ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, das zumeist in Form einer zumindest teilweise unentgeltlichen Schenkung stattfindet. Dabei wendet ein späterer Erblasser einem oder auch mehreren potentiellen Erben bereits zu Lebezeiten Vermögenswerte zu. Hierbei vermeidet der Übertragende die Formvorschriften eines Testamentes und Erbvertrages und kann Vermögensteile bereits vor dem Erbfall übertragen. Ferner kann sich der Übertragende auch gewisse Gegenleistungen für seine Zuwendungen bedingen, von denen er noch zu Lebzeiten profitiert. 

Hierbei kann es sich z. B. um eine laufende Rentenzahlung handeln oder auch das Nutzungsrecht an einer Immobilie. Zusätzlich kann eine vorweggenommene Erbfolge auch steuerlich von Vorteil sein. Dabei bezweckt die vorweggenommene Erbfolge im Wesentlichen eine Generationennachfolge.

Gründe für eine vorweggenommene Erbfolge

Die Motive für eine vorweggenommene Erbfolge können vielfältig sein. Dabei kann z. B. eine Unternehmensnachfolge im Familienbetrieb das Ziel sein oder auch eine Zuwendung in Form einer sog. „Mitgift“ bei einer Eheschließung eines Kindes. Hierbei finden sich die Ursprünge eines Vertrages zur vorweggenommenen Erbfolge in der Hofübergabe im landwirtschaftlichen Bereich. Dabei übernimmt die nachfolgende Generation dann die Bewirtschaftung des Hofes und die Elterngeneration wird zumeist durch einen Altenteil abgesichert.

Außerdem können auch eine Pflichtteilsminderung sowie ein Erhalt des Familienvermögens mögliche Motive für eine vorweggenommene Erbfolge sein. Für den Fall, dass eine vorweggenommene Erbfolge eine Zuwendung an ein noch minderjähriges Kind vorsieht, die nicht ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist, muss eine Vertretung des Kindes durch einen Ergänzungspfleger stattfinden, der vom Familiengericht bestellt wird.

Vorweggenommene Erbfolge und Schenkungsteuer

Die Minderung einer zukünftigen Erbschaftssteuer steht bei einer vorweggenommenen Erbfolge Schenkung oftmals im Vordergrund. Dabei ist die vorweggenommene Erfolge 10-Jahresfrist zu bedenken, um tatsächlich steuergünstig Vermögen übertragen zu können.
Hierbei werden nach dem Erbschaftssteuergesetz in Deutschland alle Erwerbe, die eine Person innerhalb von zehn Jahren erhält, zusammengerechnet.

Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Erwerbe durch eine Schenkung oder durch einen Erbfall erfolgen. Hierbei ist von dieser Gesamtsumme dann der jeweilige Freibetrag abzusetzen. Deshalb kann mit einer langfristig geplanten Schenkungsstrategie die mehrfache Nutzung der persönlichen Freibeträge und des Versorgungsfreibetrages erreicht werden. Dabei können diese Freibeträge optimal genutzt werden, je früher z. B. die Eltern mit der Übertragung von Vermögen auf die Nachkommen beginnen.

SteuerklasseStellung zum ErblasserFreibetrag
IEhegatte
Kind, Stiefkind
Enkel (wenn Eltern verstorben)
Enkel
Eltern und Großeltern (bei Erbschaft)
500.000€
400.000€
400.000€
200.000€
100.000€
IIEltern und Großeltern (bei Schenkung)
Geschwister, Nichte/ Neffe
geschiedener Ehegatte, Stiefeltern
Schwiegereltern/-kinder
20.000€
20.000€
20.000€
20.000€
IIISonstige20.000€

Beispiel:
Ein zukünftiger Erblasser hat seinem Sohn im Jahr 2008 einen Geldbetrag in Höhe von 205.000 Euro geschenkt, der nach altem Erbschaftssteuerrecht noch steuerfrei war. Dabei konnte er nun bis zum Jahre 2018 nach dem aktuell geltenden Recht seinem Sohn einen weiteren Geldbetrag in Höhe von 195.000 Euro schenken. Hierbei ist erst dann innerhalb der vorweggenommenen Erbfolge 10-Jahres-Frist der Freibetrag für den Sohn in Höhe von 400.000 Euro aufgezehrt. Dabei beginnt die 10-Jahres-Frist erst mit dem Tag der tatsächlichen Bereicherung des Beschenkten und nicht mit dem Tag des Schenkungsversprechens.

Überschreitung der Freibeträge und Steuerpflicht

Für den Fall, dass der Steuerfreibetrag innerhalb der vorweggenommenen Erbfolge 10-Jahresfrist überschritten wird, ist eine Schenkungssteuer zu entrichten. Dabei errechnet sich diese nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum zukünftigen Erblasser. Hierbei gilt grundsätzlich, dass, je entfernter der Verwandtschaftsgrad ist, desto höher fällt auch der Steuersatz aus. Dabei kann man die prozentualen Steuersätze aus nachfolgender Tabelle entnehmen, die bei einer Überschreitung der Freibeträge zur Anwendung kommen:

Höhe des ErbesSteuerklasse ISteuerklasse IISteuerklasse III
Bis zu 75.000€7%15%30%
Bis zu 300.000€11%20%30%
Bis zu 600.000€15%25%30%
Bis zu 6.000.000€19%30%30%
Bis zu 13.000.000€23%35%50%
Bis zu 26.000.000€27%40%50%
Mehr als 26.000.000€30%43%50%

Quelle: Advocado

Wie lässt sich die Schenkungssteuer minimieren?

Für den Fall, dass man eine Steuerzahlung umgehen will, kann man dies erreichen, indem man innerhalb der vorwegenommenen Erbfolge 10-Jahresfrist die Freibeträge nicht überschreitet. Jedoch gibt es auch noch zusätzliche Möglichkeiten, eine vorweggenommene Erbfolge Steuer zu vermeiden.

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Kettenschenkung zur Steuervermeidung

Für den Fall, dass z. B. Großeltern ihren Enkelkindern Geld schenken wollen, müssen sie feststellen, dass der Schenkungssteuer Freibetrag für Enkel deutlich geringer ist als der für die eigenen Kinder. Hierbei kann man auf eine sogenannte Kettenschenkung zurückgreifen, durch die man die höheren Freibeträge der eigenen Kinder nutzen kann. Dabei schenken dann die Großeltern nicht den Enkelkindern direkt einen Geldbetrag, sondern schenken diesen zuerst ihren eigenen Kindern. Hierbei können diese dann wiederum ihren Kindern die Schenkung weiterschenken. Dabei kann der deutlich höhere Freibetrag genutzt werden.

Gelegenheitsschenkung zur Steuervermeidung

Ferner gibt es auch die Möglichkeit, durch eine sogenannte Gelegenheitsschenkung eine vorweggenommene Erbfolge Steuer zu optimieren. Dabei kann diese Variante genutzt werden, wenn der Steuerfreibetrag bereits ausgeschöpft wurde innerhalb der vorweggenommenen Erbfolge 10-Jahresfrist. Hierbei kann es sich um Schenkungen handeln, die in ihrem Wert bei einem bestimmten Anlass angemessen sind. Dabei werden solche Geschenke dann nicht auf einen Steuerfreibetrag angerechnet, wenn es einen bedeutenden Grund für diese Schenkung gibt und das Geschenk dem Anlass angemessen ist.

Hierbei kann es sich z. B. um das Abitur, eine Hochzeit, das Examen oder auch einen Geburtstag handeln. Jedoch darf der Wert des Geschenkes einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, der wiederum abhängig vom Gesamtvermögen des Schenkenden ist. Ferner muss ein Gelegenheitsgeschenk auch in der Einkommenssteuererklärung deklariert werden. Dabei sollte man sich im Einzelfall von einem Anwalt für Erbrecht beraten lassen, um ein Gelegenheitsgeschenk auch wirklich steuerfrei übertragen zu können.

Wann werden Schenkungen als vorweggenommene Erbfolge auf das Erbe angerechnet?

Ob und in welchem Umfang sich eine Schenkung auf ein zukünftiges Erbe auswirkt, kann man teilweise als Schenker und künftiger Erblasser bestimmen. Hierbei kann man z. B. durch die Anordnung einer Ausgleichspflicht unter den Abkömmlingen des Schenkenden das Erbe beeinflussen.

Schenkung bei Pflichtteilsberechtigten

Jedoch werden alle Schenkungen innerhalb der vorweggenommenen Erbfolge 10-Jahresfrist auf das Erbe angerechnet, wenn es um den Pflichtteil geht. Dabei stellt der Pflichtteil eine Mindestbeteiligung am Erbe von engen Angehörigen dar, die man enterbt hat oder die zu wenig vererbt bekamen. Für den Fall, dass man diese Personen durch eine vorweggenommene Erbfolge Pflichtteil beschenkt, haben sie neben dem Pflichtteilsanspruch auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Hierbei rechnet man zunächst den Wert der anrechnungspflichtigen Schenkungen dem Nachlass des Erblassers hinzu und berechnet danach die Pflichtteile der Berechtigten. Dabei zieht man dann von diesem Betrag der begünstigten Person den Schenkungsbetrag ab. Deshalb können Schenkungen dazu führen, dass der Pflichtteil enterbter Personen höher ausfällt. Dabei kann man z. B eine sich aus dem Gesetz ergebende vorweggenommene Erbfolge Ausgleichspflicht unter Abkömmlingen nicht zum Nachteil eines Pflichtteilsberechtigten gestalten.

Vorweggenommene Erbfolge und die Ausgleichspflicht bei Geschwistern

Für den Fall, dass Geschwister zu Lebzeiten der Eltern durch Vermögensübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge unterschiedliche Zuwendungen erhalten haben, hat das Gesetz eine Ausgleichspflicht vorgesehen. Dabei müssen Zuwendungen, die Kinder zu Lebzeiten der Eltern erhalten haben, im Erbfall dann auf den Nachlass als vorweggenommene Erbfolge Anrechnung behandelt werden, um einen Ausgleichsanspruch der Geschwister berechnen zu können.

Allerdings besteht eine Ausgleichspflicht nur dann, wenn der Erblasser nichts anderes angeordnet hat. Dabei können Eltern z. B. bestimmen, dass ein Kind, das begünstigt wurde, nicht zu einem Ausgleich gegenüber seinen Geschwistern verpflichtet ist. Hierbei entfällt also eine vorweggenommene Erbfolge Auszahlung Geschwister. Dabei werden jedoch Schenkungen zu Lebzeiten generell nicht in die Ausgleichsberechnung mit einbezogen, außer der Erblasser hat dies ausdrücklich so bestimmt für die vorweggenommene Erbfolge Geschwister.

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FAQ: Vorweggenommene Erbfolge

Hat ein Erblasser mehrere Kinder und beschenkt er nur eines von ihnen, so wird ggf. nach seinem Ableben im Rahmen der Erbauseinandersetzung die Schenkung gegenüber den übrigen Geschwistern ausgeglichen. Dabei betrifft diese vorweggenommene Erbfolge Ausgleichungspflicht ausschließlich Abkömmlinge (Kinder, Enkel) des Erblassers, nicht dagegen seinen Ehegatten oder andere Verwandte.
Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion
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